Japans Regierung hat angesichts der strategischen Herausforderung durch China am Freitag eine umfassende Überarbeitung seiner Verteidigungsstrategie beschlossen. Die vom Kabinett in Tokyo gebilligten Pläne sehen eine Verdopplung der Militärausgaben bis 2027 auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vor und bedeuten eine Abkehr von der bisherigen, pazifistisch geprägten Militärdoktrin Japans. Während China Japan aufforderte, seine Pläne zu überdenken, hieß es aus Washington, diese würden das traditionelle Militärbündnis zwischen Japan und den USA stärken.
Japan gehört der Nato nicht an, ist aber ein enger Verbündeter der USA. China stelle die „größte strategische Herausforderung aller Zeiten“ für die Sicherheit des Landes dar und sei Grund zu „ernster Befürchtungen„, erklärte die Regierung nun.
Neben einem höheren Budget sieht die in drei Dokumenten verfasste neue Verteidigungsstrategie vor, die japanischen Streitkräfte umzustrukturieren und das Raketenarsenal des Landes aufzustocken. So sollen Medienberichten zufolge unter anderem 500 Tomahawk-Raketen aus US-Produktion erworben werden. Dabei soll die sogenannte „Gegenschlagsfähigkeit“ Japans gestärkt werden. Japans derzeitige Raketenabfangsysteme allein seien nicht mehr ausreichend, hieß es in Tokyo.
Japan plant zudem bis 2035 den Bau von rund 130 neuen Munitionsdepots und den Einsatz weiterer Satelliten, um mögliche Gegenschläge zu lenken.
Das chinesische Außenministerium forderte Japan auf, „seine Politik zu überdenken„. Japan missachte die Fakten, weiche „von den gemeinsamen Absprachen mit China und seinem Engagement für die bilateralen Beziehungen“ ab und diskreditiere China, erklärte Sprecher Wang Wenbin.
Die USA begrüßten hingegen die Pläne. Diese würden das Militärbündnis mit den USA „stärken und modernisieren„, sagte der nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jake Sullivan. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sagte, der Schritt zeige „Japans entschlossenes Engagement für die Aufrechterhaltung der regelbasierten internationalen Ordnung und eines freien und offenen Indo-Pazifik-Raums„.
Japans pazifistische Verfassung ermöglicht offiziell kein nationales Militär und beschränkte bislang die militärischen Ausgaben auf das für die Landesverteidigung nötige Maß. Maßnahmen zur Aufstockung der Kapazitäten gelten daher als äußerst heikel.
Das bisherige Niveau der Verteidigungsausgaben von einem Prozent des BIP sei zum Symbol für Japans ausschließlich auf Selbstverteidigung ausgerichtete Sicherheitspolitik geworden, sagte Naoko Aoki von der Denkfabrik Atlantic Council der Nachrichtenagentur AFP. Das Verlassen dieser selbst auferlegten Obergrenze bedeute aber nicht, dass Japan nun „seine Politik aufgibt„, sondern spiegele die „Besorgnis der Japaner über ihr Sicherheitsumfeld“ wider, sagte Aoki.
Um der Sensibilität des Themas Rechnung zu tragen, schließt die neue Strategie ausdrücklich Präventivschläge aus. Japan sei auch weiterhin einer „ausschließlich verteidigungsorientierten Politik“ verpflichtet, heißt in den Dokumenten.
Beim Koalitionspartner der Regierungspartei, der traditionell pazifistischen Komeito, stoßen die Pläne zur Aufstockung des japanischen Raketenarsenals auf Widerstand. Umfragen zufolge steht aber die japanische Öffentlichkeit weitgehend hinter dem Kurswechsel. Sowohl die wachsende militärische Stärke Chinas als auch andere Bedrohungen wie die Raketentests Nordkoreas oder der russische Einmarsch in der Ukraine hatten in Japan Besorgnis ausgelöst.
Die Sorge wegen des Ukraine-Krieges spiegelt sich auch in den Dokumenten zur neuen Sicherheitsstrategie wider: Während Japan bisher für eine engere Beziehung und Zusammenarbeit mit Russland eintrat, warnt es nun davor, dass Moskaus militärisches Auftreten und die Zusammenarbeit mit China „eine große Sicherheitsbedrohung“ darstellten.