China hat im vergangenen Jahr das höchste Wirtschaftswachstum seit fast zwei Jahrzehnten erzielt – doch die Corona-Pandemie sorgt weiterhin für starke Unsicherheit. 2021 legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt um 8,1 Prozent zu. In den letzten drei Monaten des Jahres betrug das Wachstum aber nur noch 4,0 Prozent zum Vorjahresquartal.
Chinas Wirtschaft stehe unter „dreifachem Druck“, sagte am Montag der Sprecher der Statistikbehörde, Ning Jizhe – die Nachfrage gehe zurück, die Lieferketten stünden „unter Spannung“ und die Erwartungen seien abgeschwächt worden. So kletterte der Einzelhandelsumsatz – Indikator für den privaten Konsum – im Dezember nur um 1,7 Prozent, das war die schwächste Zunahme seit Sommer 2020. Dienstleistungsbranchen wie Gastgewerbe und Tourismus liegen weiterhin unter Vorkrisenniveau.
Energieknappheit & Einbruch des Immobilienmarktes
Zusätzlich zur Pandemie kämpfte China im vergangenen Jahr in wichtigen Industrieregionen mit Stromausfällen wegen Energieknappheit. Außerdem verzeichnete das Land in den vergangenen Monaten einen Einbruch des wichtigen Immobilienmarktes – symbolisiert durch die Probleme des Immobilienentwicklers Evergrande. Regulatorische Maßnahmen beeinträchtigten außerdem das Wachstum in anderen Sektoren wie der Internetwirtschaft.
Die Industrieproduktion legte 2021 dennoch um 9,6 Prozent zu. Im Dezember waren es offiziell 4,3 Prozent – Analysten hatten allerdings mit einem stärkeren Wachstumseinbruch gerechnet. Das Wachstum des BIP insgesamt war das stärkste seit 2012.
Omikron und die Null-Covid-Politik
Die Omikron-Variante des Coronavirus ist in China bislang noch in wenigen Orten entdeckt worden. Drei Städte mit insgesamt rund 20 Millionen Einwohnern wurden abgeriegelt und unter Quarantäne gestellt. Erwartet wird aber, dass Omikron sich auch in der Volksrepublik rasch ausbreiten wird. Am 1. Februar feiert China das Neue Jahr, ein wichtiges Familienfest, das zum Besuch der Verwandten genutzt wird. Am 4. Februar beginnen in Peking die Olympischen Winterspiele.
Omikron werde vor allem die Dienstleistungen stark treffen, vor allem den Konsum und den Verkehr, erklärte Analystin Yue Su von Economist Intelligence Unit. Die Folgen der drakonischen „Null-Covid-Politik“ für die Wirtschaft würden daher bald überdacht werden, prophezeit sie.
Die chinesische Zentralbank senkte am Montag erstmals seit April 2020 einen wichtigen Leitzins – Zeichen für die Nervosität der Führung. Kleine und mittlere Unternehmen sollen so ermutigt werden, Kredite aufzunehmen.
Die offizielle Arbeitslosenquote in China – ermittelt nur in den Ballungsgebieten – lag im Dezember laut Statistikamt bei 5,1 Prozent. Millionen Wanderarbeiter werden bei der Erhebung allerdings nicht berücksichtigt. Einen Höchststand hatte die Quote im Februar 2020 kurz nach Ausbruch der Pandemie in China mit 6,2 Prozent erreicht.
Geburtenrate und Arbeitskräftemangels
Der chinesischen Wirtschaft dürfte künftig aber eher das Problem des Arbeitskräftemangels drohen. Die Geburtenrate sank 2021 auf den niedrigsten Wert seit Beginn der Aufzeichnungen 1978, wie das Statistikamt am Montag ebenfalls mitteilte. Sie sank von 8,52 Geburten pro tausend Einwohner auf 7,52 Geburten.
Obwohl die Behörden 2016 die Ein-Kind-Politik gelockert hatten und Paaren vergangenes Jahr sogar erlaubten, drei Kinder zu bekommen, haben die Änderungen keinen Babyboom ausgelöst. In der chinesischen Führung mehren sich die Sorgen vor den Folgen.