China hat für dieses Jahr das Ziel von 5,5 Prozent Wirtschaftswachstum ausgegeben – den niedrigsten Wert seit Jahrzehnten. Regierungschef Li Keqiang sagte am Samstag zur Eröffnung des Nationalen Volkskongresses in Peking, die chinesische Wirtschaft sei derzeit mit „viel mehr Risiken und Herausforderungen“ konfrontiert. Es müssten große Anstrengungen unternommen werden, um diese zu überwinden, sagte er vor den rund 3000 Delegierten in der Großen Halle des Volkes.
Schuld ist Corona
Der Wert von 5,5 Prozent Wachstum ist der niedrigste seit 1991. Verantwortlich für dieses von der Führung in Peking ausgegebene, vergleichsweise bescheidene Ziel sind die Auswirkungen der Corona-Pandemie, Einbrüche in der chinesischen Immobilienbranche mit dem von der Pleite bedrohten Großkonzern Evergrande sowie die Unsicherheiten, die mit dem Ukraine-Krieg für die Weltwirtschaft verbunden sind. Die Aussichten seien „ernst und unsicher“, sagte Li.
Das Wachstumsziel basiere auf der Wahrung einer stabilen Beschäftigung, der Grundbedürfnisse und dem „Schutz vor Risiken“, sagte Li in seiner Rede, die als chinesische Version einer Rede an die Nation gilt. Er versprach Steuererleichterungen und Maßnahmen zur Stabilisierung der Immobilienpreise und der Märkte, um das Wachstum zu fördern.
Wirtschaftliche Stabilität müsse „oberste Priorität“ haben, sagte Li vor den Delegierten. Chinas Wirtschaft ist zentraler Motor für die globale Wirtschaft und auf nationaler Ebene entscheidend für die Kommunistische Partei. Deren Legitimität stützt sich zu großen Teilen auf stetiges wirtschaftliches Wachstum und die Verbesserung des Lebensstandards. Die Kommunistische Partei fürchtet sich vor sozialer Instabilität in der riesigen Bevölkerung, sollte die Wirtschaft zu wenig wachsen.
Wachstum war nicht
Im Jahr 2020 hatte Peking wegen der Pandemie darauf verzichtet, ein Ziel für das Wirtschaftswachstum auszugeben, im vergangenen Jahr stieg das Bruttoinlandsprodukt (PIB) dann um 8,1 Prozent. Doch das Wachstum war nicht stetig. Wurde im ersten Quartal noch ein Wert von 18,3 Prozent verzeichnet, so waren es im letzten Quartal 2021 nur noch vier Prozent.
Bei der jährlichen Sitzung des Nationalen Volkskongresses werden die politischen Prioritäten, wirtschaftlichen Erwartungen und die außenpolitischen Ziele der Partei vorgestellt. In den vergangenen Jahren wurden einschneidende Gesetze vorgestellt wie Lockerungen der Ein-Kind-Politik oder das sogenannte Sicherheitsgesetz, mit dem China auf die monatelangen Massenproteste in Hongkong reagierte, die sich gegen den wachsenden Einfluss Pekings richteten.
In diesem Jahr sind keine bedeutenden neuen Gesetze zu erwarten. Allerdings werden Diskussionen über Strategien zur Steigerung der Geburtenrate erwartet, nachdem diese im vergangenen Jahr auf ein Rekordtief gefallen war. Li kündigte eine bessere Unterstützung für Familien an, um einer befürchteten demographischen Krise entgegenzuwirken.
Militärhaushalt soll steigen
Auf Russlands Krieg gegen die Ukraine ging Li trotz der damit verbundenen Unsicherheiten nicht ein. China hat eine öffentliche Verurteilung des Vorgehens Russlands bislang vermieden.
Chinas Militärhaushalt – der zweitgrößte der Welt nach dem der USA – soll in diesem Jahr um 7,1 Prozent auf 1,45 Billionen Yuan (209 Milliarden Euro) steigen. Die Steigerungsrate entspricht jener der vergangenen Jahre.
Mehr Bedeutung als dem Nationalen Volkskongress kommt in diesem Jahr dem 20. Kongress der Kommunistischen Partei zu, der alle fünf Jahre abgehalten wird. Bei dem Kongress im Herbst dürfte Staatspräsident Xi Jinping ein drittes Mal im Amt bestätigt werden, nachdem er die Verfassung ändern und die Begrenzung der Amtszeit des Präsidenten abschaffen ließ.