Nach der erzwungenen Schließung der unabhängigen Nachrichtenwebsite „Stand News“ in Hongkong sind zwei führende Redakteure offiziell der „Verschwörung zur Veröffentlichung einer aufrührerischen Publikation“ beschuldigt worden. Ihre Freilassung auf Kaution lehnte ein Gericht am Donnerstag ab. Peking wies zudem die internationale Kritik am Vorgehen der Behörden in der chinesischen Sonderverwaltungszone als „unverantwortlich“ zurück.
Die Anschuldigungen betrafen den „Stand News“-Chefredakteur Patrick Lam und seinen Vorgänger Chung Pui-kuen sowie das Stammhaus der Webseite, Best Pencil Limited. Gerichtsdokumenten zufolge wurde ihnen auch Förderung von „Hass oder Missachtung oder Erwecken von Unzufriedenheit“ mit der Regierung sowie Anstiftung von „Menschen zu Gewalt“ vorgeworfen.
Lam, Chung und fünf weitere Menschen waren am Mittwoch festgenommen worden. 200 Polizisten durchsuchten die Redaktion von „Stand News“ sowie die Wohnungen mehrerer Redakteure. Die unabhängige Website erklärte daraufhin, dass sie ihren Betrieb einstelle.
Freilassung abgelehnt
Eine Freilassung von Lam und Chung auf Kaution lehnte das Gericht ab. Ihr Verfahren soll am 25. Februar fortgesetzt werden. Vier weitere am Vortag Festgenommene kamen dagegen auf Kaution auf freien Fuß.
Das Verbindungsbüro der chinesischen Regierung in Hongkong bezeichnete die Razzien als „Akt der Gerechtigkeit“ und warf der Nachrichtenwebseite „Anstiftung zur Abspaltung“ vor. „Wenn die fraglichen Personen von ‚Stand News‘ zur Rechenschaft gezogen werden, geht es darum, ‚den Bösen zu geben, was sie verdienen‘, das hat nichts mit Pressefreiheit zu tun„, erklärte ein Sprecher des Büros.
Scharfe Kritik an Vorgehen
Die EU sowie auch die Bundesregierung reagierten mit scharfer Kritik auf das erzwungene Aus für die Nachrichtenwebseite „Stand News“. US-Außenminister Antony Blinken forderte am Mittwochabend die Behörden in Peking und Hongkong auf, „die freien und unabhängigen Medien in Hongkong nicht länger ins Visier zu nehmen und die zu Unrecht inhaftierten und angeklagten Journalisten und Medienschaffenden unverzüglich freizulassen“.
„Journalismus ist keine Volksverhetzung“, sagte Blinken. „Indem sie unabhängige Medien zum Schweigen bringen“, würden China und die lokalen Behörden „die Glaubwürdigkeit und Lebensfähigkeit Hongkongs“ untergraben.
Die Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam erwiderte, sie stimme Blinken zu, dass „Journalismus keine Volksverhetzung ist„. Umstürzlerische Taten könnten aber nicht „unter dem Deckmantel der Berichterstattung gebilligt werden„, sagte sie am Donnerstag. Westliche Länder würden die Rechtsstaatlichkeit in Hongkong mit Füßen treten, wenn sie forderten, die Anschuldigungen fallen zu lassen.
Auch Peking wies die internationale Kritik zurück. „Einige ausländische Kräfte haben unter dem Deckmantel der Pressefreiheit unverantwortliche Bemerkungen über den Gesetzesvollzug in Hongkong gemacht„, sagte am Donnerstag der Sprecher des Außenministeriums in Peking, Zhao Lijian. Dies bringe „Richtig und Falsch völlig durcheinander“ und führe „die öffentliche Meinung in die Irre„.
Zunehmende Härte gegen Kritiker
Seit den monatelangen Massenprotesten gegen den wachsenden Einfluss Pekings in Hongkong im Jahr 2019 gehen die Behörden mit zunehmender Härte gegen Kritiker in der Sonderverwaltungszone vor. Im Juli 2020 trat das sogenannte Sicherheitsgesetz in Kraft. Es erlaubt den Behörden ein drakonisches Vorgehen gegen alle Aktivitäten, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit Chinas bedrohen. Dazu gehören alle Aktivitäten, die China als Aufrufe zur Abspaltung, Subversion, geheime Absprachen mit ausländischen Kräften und Terrorismus betrachtet.
Bereits im Juni musste die pro-demokratische Zeitung „Apple Daily“ ihren Betrieb einstellen, nachdem ihr Vermögen eingefroren und ihre leitenden Angestellten verhaftet worden waren. Der 74-jährige Eigentümer und Demokratieaktivist Jimmy Lai sitzt im Gefängnis.