„Niemals aufgeben!“ Geiger stürmt aus der Isolation zu Gold

Kombinierer Vinzenz Geiger hat sensationell Olympia-Gold von der Normalschanze gewonnen. Der Oberstdorfer kam direkt aus der Corona-Isolation als Kontaktperson.

Peking (SID) Vinzenz Geiger schüttelte immer wieder fassungslos den Kopf, vor lauter Glück und Stolz brachte der wohl unwahrscheinlichste Olympiasieger von Peking kaum einen Satz heraus. „Unglaublich, ich weiß nicht, wie das funktioniert hat“, sagte der neue Kombinierer-König aus Oberstdorf, nachdem er praktisch direkt aus der Corona-Isolation mit einem Endspurt für die Ewigkeit zu Gold gestürmt war: „Besser geht es nicht – man darf eben niemals aufgeben.“

Mit dem Rennen seines Lebens zum Triumph von Zhangjiakou vollendete der 25-Jährige ein einzigartiges Wintermärchen: Als Kontaktperson des infizierten Rekord-Weltmeisters Eric Frenzel musste sich Geiger bis zum Wettkampf vom Rest des Teams isolieren, skurrilste Schikanen über sich ergehen lassen – und war dennoch nicht zu schlagen.

„Anscheinend haben mich diese Einschränkungen noch heißer gemacht. Ich habe beschissene Tage hinter mir, aber ich muss immer an meine beiden Kollegen denken, die in der Isolation hängen – da kann ich mich glücklich schätzen“, sagte Geiger in Richtung von Frenzel und dem ebenfalls infizierten Terence Weber. Frenzel, der in seinem Hotelzimmer am TV mitfieberte, textete zurück: „Wie geil! Was für ein Hammerrennen!“

Nachdem sein Musterschüler nach Platz elf im Springen noch in den Olymp geflogen war und im Zielsprint den Norweger Jörgen Graabak düpiert hatte, pfiff Bundestrainer Hermann Weinbuch auf alle Abstandsregeln und fiel Geiger um den Hals. „So ein Rennen habe ich in meiner ganzen Karriere noch nicht erlebt. Ich bin fassungslos“, sagte der „ewige“ Coach.

Dass von den besten sieben Kombinierern im Weltcup gleich vier – neben Frenzel und Weber auch Norwegens Topstar Jarl Magnus Riiber und der Este Kristjan Ilves – wegen Corona-Infektionen fehlten, wertet für Weinbuch das Gold Geigers nicht ab. „Auf keinen Fall“, stellte der 61-Jährige klar, „ist das ein Sieg mit einem Sternchen dran.“

Bronze ging an Lukas Greiderer aus Österreich, Geigers Oberstdorfer Klubkollegen Johannes Rydzek und Julian Schmid kamen auf die Plätze fünf und acht. Rydzek wurde dabei zur tragischen Figur.

Der Doppel-Olympiasieger von Pyeongchang, der erst im letzten Moment das Peking-Ticket ergattert hatte, lieferte einen ganz starken Wettkampf ab. Vierter war der 30-Jährige nach dem Springen, führte die Spitzengruppe lange an und ging alleine in den letzten Anstieg. Weil aber Geiger in der Verfolgergruppe ein Höllentempo anschlug, kamen die Jäger heran – keine 500 Meter vor dem Ziel wurde Rydzek gestellt. „Ich kann mir nichts vorwerfen, ich habe alles reingelegt“, sagte Rydzek: „Ich kann trotzdem stolz sein.“

Geiger tat der Kollege leid, er stellte aber klar: „Letztlich laufe ich für mich selber. Ich habe mich so stark gefühlt, und wenn man sich so stark fühlt, steckt man nicht zurück.“

Wo Geiger diese Stärke hergeholt hatte, blieb sein Geheimnis. Tagelang musste er sich alleine durch das chinesische Chaos quälen, wurde von Shuttlefahrern an falschen Orten und zu spät abgeliefert, durfte nicht mit dem Lift auf den Sprungturm fahren. „Es war einfach ein Riesenscheiß“, sagte Geiger. Doch der glänzte letztlich golden.

 

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Quelle:
2022 AFP

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