Skeletoni Hannah Neise holt den nächsten deutschen Olympiasieg im Eiskanal – wieder ist es ein historischer. Tina Hermann verpasst Bronze knapp.
Peking (SID) Hannah Neise raste fast aus dem Nichts auf den Olymp – und erlaubte sich dann einen seltenen, kurzen Ausbruch. Mit der flachen Hand hämmerte die 21-Jährige auf ihren Schlitten, als erste deutsche Olympiasiegerin im Skeleton hatte sie soeben Geschichte geschrieben. Und nebenbei die deutschen Festspiele im Eiskanal von Yanqing fortgesetzt.
„Ich kann es noch nicht realisieren, das braucht auf jeden Fall Zeit“, sagte Neise vor den TV-Kameras, schon wieder ganz ruhig, ganz ihrem Naturell entsprechend – und entschuldigte sich beinahe schon. „Ich freue mich innerlich“, sagte sie lächelnd, „die Leute zu Hause, meine Familie freuen sich sicher mehr.“
Einen Tag nach dem historischen Triumph von Christopher Grotheer holten nun also auch die deutschen Frauen ihr erstes Gold in der kleinsten Schlittensportart. Die ehemalige Juniorenweltmeisterin Neise verwies die Australierin Jaclyn Narracott und Kimberley Bos aus den Niederlanden auf die Plätze – Tina Hermann ging dagegen wie schon 2018 leer aus. Für die Weltmeisterin blieb nur der undankbare vierte Platz, Jacqueline Lölling wurde Achte.
Dennoch ist das Abschneiden historisch gut, drei der sechs Skeleton-Medaillen gingen an den deutschen Verband: Grotheer hatte einen Doppelsieg vor Axel Jungk angeführt. „Hätte mir das vorher jemand gesagt, hätte ich es nicht geglaubt“, sagte BSD-Sportdirektor Thomas Schwab: „Ich kann vor unseren Athleten nur den Hut ziehen. Das wird den deutschen Skeleton-Sport nach vorne bringen.“
Die Bilanz ist allerdings auch für den gesamten Schlittenverband einmalig: Die Rodler um Rekordolympionikin Natalie Geisenberger holten vier Goldmedaillen in vier Rennen, auch beim Skeleton gab es nur deutsche Siege – und die Bob-Wettkämpfe mit dem alles überragenden Fahnenträger Francesco Friedrich kommen erst noch.
Dass Neise am Samstag nach vier Läufen die Beste war, kam aus dem Nichts. Noch nie stand die erst 21-Jährige im Weltcup, wo sie erst seit zwei Jahren unterwegs ist, auf dem Podest. Erst bei der Europameisterschaft in St. Moritz drei Wochen vor Olympia-Start hatte die Polizeianwärterin mit Platz acht die interne Norm für die Winterspiele erfüllt – und anschließend wegen einer Corona-Infektion doch um ihren Olympia-Traum bangen müssen.
Neise präsentierte sich in China aber bemerkenswert nervenstark. Sie sei zwar „den ganzen Tag nervös“ gewesen, habe vor dem entscheidenden Tag aber „sehr gut geschlafen. Ich habe viel im mentalen Bereich gearbeitet.“
In ihrer Heimatstadt Schmallenberg im Hochsauerlandkreis verfolgten rund 100 Fans bei einem kleinen Public Viewing, wie das „Küken“ im dritten Lauf trotz eines Fahrfehlers in der Kurve 13 die Führung übernahm. Im abschließenden vierten Durchgang konnte die Konkurrenz nicht mehr kontern.
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